Suchende

Für mich hat vieles von dem was wir gerade erleben mit der Zeit zu tun, die die Jünger Jesu nach der Auferstehung hatten: Unsicherheit, Fragen über Fragen, wie geht es weiter? Was machen wir nun?

Und für mich ist das so in der Kirche und auch privat. Leicht sind gerade nur die Frühlingstage. Die frische Luft, die aufblühende Natur, der strahlende Sonnenschein. Gut, dass wir all das haben.

Was machen wir als Kirche, wo wir jetzt sonntags und auch in der Woche nicht zusammenkommen können? Das fragen sich nicht nur die Mitglieder unserer Gemeinden, auch die Menschen, die bei uns arbeiten. Wie geht das weiter, bleibt das alles jetzt so für viele Monate? Und wie können wir gesund bleiben?

Diese Fragen in einer unsicheren Zeit waren in anderer Weise auch die Fragen der Jünger nach ihrer Erfahrung mit Jesu Tod. Da waren Trauer, Trostlosigkeit und Unverständnis. Keiner von denen wusste, wie es da weitergehen sollte.

Und dann kam die Nachricht vom leeren Grab. Das hat erst mal keine Freude ausgelöst. Kein Osterlachen entfacht. Schon gar kein inspiriertes Feuer und neue Kreativität. Eher Ratlosigkeit und Schwere.

Und deshalb erzählen die Evangelien auch auf sehr unterschiedliche Weise Geschichten vom Auferstandenen und seinen Begegnungen mit den Jüngern. Das ist ein Spiegel dessen, wie die Jünger damals die Präsenz des Auferstandenen gesucht haben. Wie sie ihr Leben als an Jesus Glaubende gestalten konnten und was überhaupt möglich war.

Die Geschichten beschreiben die Jünger als Suchende. Sie suchten nach ihrem Weg ohne die physische Präsenz Jesu. Und dann erzählen sie diese Geschichten, wie die Präsenz des Auferstandenen erfahren wurde. Das ist die wohldurchdachte Komposition der Evangelisten, die ja lange nach Tod und Auferstehung Jesu geschrieben wurden, aber mit ihrem Blick genau von diesen Ereignissen her ihre Gemeinden auf das Wesentliche leiten wollen.

Eine dieser Geschichte ist von Kindertagen an eine meiner Lieblingsgeschichten der Bibel. Wahrscheinlich kenne ich sie aus dem Kindergottesdienst. Jedenfalls habe ich immer Bilder in mir, die diese Geschichte begleiten. Das muss kein Weg an Rande eines Rapsfelds sein.

Aber im Gehen miteinander physisch und gedanklich unterwegs zu sein, das kenne ich aus vielen Phasen meines Lebens: Das ausgelassene Toben beim Waldspaziergang als Kind. Die Studentenwanderungen an der jungen Donau. Der erste Spaziergang mit der geliebten Partnerin. Der gedankenschwere Weg in einer Phase des Trauerns.

Es ist gut, auf dem Weg zu sein. Es ist gut, seinen Schritt setzen zu müssen und dabei reden und nachdenken zu können. So wie die zwei Männer in der Emmausgeschichte im Lukasevangelium. Mit einem Mal kommt ein Fremder dazu, dem sie begegnen. Dem erzählen sie ihre Verlustgeschichte. Von Jesus, der gestorben ist. Ihrem Erschrecken und Ungläubigsein angesichts des leeren Grabs.

Und dann erläutert ihnen der Fremde, was es auf sich hat mit diesem Jesus, dem Sohn Gottes, der leiden und sterben und auferstehen musste. Da sind gemeinsam Lernende auf dem Weg. Die Jünger lernen von Jesus, der ihnen die Schrift erklärt und erläutert, was wirklich passiert ist.

Umgekehrt spiegelt die Geschichte für mich auch wieder, dass Jesus etwas lernt: dass das leere Grab nicht einfach zu verdauen war. Dass die Jünger unsicher sind. Dass sie nicht wissen, wie es weitergeht, obwohl er ihnen viel mit auf den Weg gegeben hat. Da ist eine wandernde Lerngemeinschaft unterwegs. Eine spannende Phase.

Am Ende des Tages kommt dieser mich immer wieder berührende Satz, weil er die Abendstimmung so gut zeigt: „Bleibe bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich geneigt.“ (Lk 24,29) Die ganze Müdigkeit und Schwere der Situation, aber auch die ganze Hoffnung, dass man noch zusammen sein und gemeinsam essen kann, die liegen in diesem Satz.

Dann essen sie, Jesus bricht das Brot und es fällt ihnen wie Schuppen von den Augen: Gott ist ihnen nämlich in diesem Fremden begegnet, der mit ihnen gewandert ist. Er war die ganze Zeit ihres Suchens, ihres ratlosen Gehens mit ihnen auf dem Weg, bei ihnen, ihnen nahe.

Oft genug bin auch ich Suchender auf dem Weg durch mein Leben. Der ist auch nicht immer einfach. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht: Gott ist bei mir, auch wenn ich ihn nicht gleich erkenne. Gerade dann, wenn ich mit vertrauten Menschen über das rede, was mich bewegt. Es ausspreche und mir jemand zuhört.