Gottesdienste feiern heißt: Gott dient uns

Nach dem Gespräch zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer am 30.4.2020 sind wir als evangelische Kirche wieder in der Lage, Gottesdienste mit physischer Präsenz und Beteiligung von Gemeindemitgliedern in unseren Kirchgebäuden zu feiern. Das ist eine gute Nachricht und ich freue mich, dass dies wieder möglich sein wird. Menschen aus unseren Gemeinden haben zum Teil sehnsüchtig darauf gewartet. Daher bin ich dankbar, dass sich die Verantwortlichen in Kirche und Politik auf Schutzkonzepte einigen konnten. Dennoch gibt es weiter keine Normalität wie wir sie kennen, wie wir sie vielleicht auch ersehnen.

Wenn wir jetzt Gottesdienste in unseren Kirchgebäuden mit Gottesdienstteilnehmenden feiern können, sind die Hürden für den Gesundheits- und Hygieneschutz hoch und vieles, was gewohnt, ersehnt und zum Gefühl der Heimat im Gottesdienst beiträgt, wird mit einem Mal ungewohnt und vielleicht sogar schwer verständlich sein.

Wir werden eine andere Normalität erfahren, als vorher. Denn die gegenwärtige Situation ist davon geprägt, dass wir innerhalb von zwei Monate in eine 2. Phase des Um- und Neuorganisierens unserer kirchlichen Arbeit eintreten. Auch in dieser Phase agieren wir oft im Organisationsmodus und leben von unseren Ressourcen, die wir Gott sei Dank haben, denn Gott hat uns reichlich damit beschenkt. Dennoch werden wir auch weiter auf die Schonung dieser Ressourcen achten, denn wir haben eine lange Strecke vor uns.

Es ist deutlich, dass die Vorbereitungen für diese neue Phase einer Menge Arbeit, Nachdenken, Organisation und vor allem verantwortlicher Entscheidungen bedarf. Denn die Situation der Gefährdung durch das Coronavirus hat sich zwar etwas verändert, aber die Gefahrenlage ist weiter hoch und die Wissenschaftler warnen vor einem unangemessenen Umgang mit der Situation. Klar ist auch, dass viele Menschen, die die Angebote in unseren Gemeinden wahrnehmen, zur Risikogruppe gehören, die besonders schützenswert ist. Umgekehrt müssen auch wir uns selbst schützen.

Es bleibt unsere Aufgabe, dies kommunikativ zu vermitteln und auf die Mitwirkung und das Mittragen aller Beteiligten zu setzen. Wir tun dies aber alles aus dem Verständnis unseres Dienstes für Menschen heraus, zu ihrem Wohl. Menschen zu schützen bleibt in diesen Tagen oberstes Ziel. Darin folgen wir dem Auftrag unseres dreieinigen Gottes.

Gottesdienst feiern gehört zur Identität der christlichen Gemeinde. Gottesdienst heißt: Gott dient uns und wir dienen Gott. In dieser Reihenfolge. Dass der dreieinige Gott uns dient, gehört zum Wesen des christlichen Glaubens und damit auch der Feier des Gottesdienstes. Weil Gott uns dient, können wir ihm dienen.

Martin Luther hat 1544 in seiner Predigt zur Einweihung der Torgauer Schlosskirche das Grundverständnis des Gottesdienstes in seiner Weise kurz und knapp zusammengefasst: das Gotteshaus sei dazu da, „dass nichts anderes darin geschehe, als dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir umgekehrt mit ihm reden durch unser Gebet und Lobgesang.“

Ich bin dankbar dafür, dadurch daran erinnert zu werden, dass das Wichtigste ist, dass Gott zu uns redet durch sein gutes Wort des Evangeliums und dass das an oberster Stelle steht. Das ist auch in den letzten Wochen passiert, dafür bin ich auch sehr dankbar. An vielen Stellen anders als sonst, aber sehr lebendig. Und es wird auch in den nächsten Wochen geschehen, auch dann, wenn wir wieder in eine neue Phase des derzeitigen Gemeindelebens eintreten werden. Wiederum auf vielfältige, zum Teil sicher auf ungewohnte Weisen.

Dass der von Luther angesprochene Lobgesang am Ende nur liturgisch stellvertretend und nicht von den Gemeindemitgliedern in den Kirchgebäuden erklingen wird, ist emotional sicher schwierig er begreifen. Aber ich kann zum Beispiel ja innerlich mitsingen, den Takt mit meinen Beinen mitgehen und im Rhythmus mitklatschen oder mitschnippen. Ich bin sicher, wir werden kreative Formen finden, das Lob Gottes zum Ausdruck zu bringen.

Aus vielen Gesprächen der letzten Tage weiß ich, dass unsere Kirchengemeinden sehr unterschiedlich, will heißen protestantisch vielfältig mit der Situation umgehen werden. Ich finde das bereichernd. Und es wird Gemeinden geben, die jetzt noch keine Gottesdienste mit physischer Beteiligung in Kirchgebäuden feiern werden, sondern in den Formen der letzten Wochen ob digital oder analog erst einmal weiter machen.

Alles hat seine Zeit und seinen Ort. Und ich freue mich, davon zu hören, welche hybriden Formen angeboten werden, zu denen ich Sie sehr gerne ermutige. Denn es wird auch Menschen geben, die jetzt nicht in die Kirche gehen können oder wollen und die in den letzten Wochen etwas gefunden haben, was ihnen entsprochen hat.

Ich danke unseren Gemeinden und Einrichtungen, den Pfarrerinnen und Pfarrern, den Presbyterinnen und Presbytern und allen, die Verantwortung tragen oder mittragen sehr herzliche für alles, was sie in den vergangenen Wochen auf ganz unterschiedlich Weise getan haben. Das war großartig. Es hat mich beflügelt und in mir die Gewissheit bestärkt, dass die Gemeinden und Einrichtungen in unserem Kirchenkreis lebendig dazu beitragen, dass das gute Wort vom guten Gott zu den Menschen kommt. Danke für alles!