Von den Hirten und dem Engel

Es begab sich aber zu der Zeit, als die Hirten auf den Feldern waren und ihre Schafe hüteten. – Moment mal. Da stimmt doch was nicht. Richtig. Die berühmte Weihnachtsgeschichte aus dem Lukasevangelium beginnt etwas anders.

Mein Blick bleibt in diesem Jahr aber bei den Hirten hängen. Denen erscheint in der Nacht ein Engel und sie fürchten sich. Kein Wunder, da würde ich auch aufschrecken, so mitten in der Nacht. Mein Puls würde nach oben gehen und ich hätte bestimmt genauso Angst wie die Hirten.

Die Hirten in der Weihnachtsgeschichte sind mit ihrer Angst so etwas wie Leidensgenossen. Deshalb liegt mein Fokus in diesem Jahr auf ihnen. Sie sind die Realisten in dieser Geschichte. Sie wissen, was läuft. Sie sehen die Wirklichkeit total scharf. Und ich sehe sie ganz genau.

Es ist diese beängstigende Situation, die mich beschäftigt. Denn so geht es mir hin und wieder gerade auch. Die täglichen Nachrichten können einem ja schon Angst machen. Da ist die bange Frage: wie geht das weiter? Wird es noch schlimmer mit Corona? Das beschäftigt mich jetzt schon bald zwei Jahre. Und die Entspannung vom Sommer ist lange vorbei und kalten Tagen gewichen.

Der Engel erkennt anscheinend sofort, was los ist. „Fürchtet euch nicht“, sind seine ersten Worte. Habt keine Angst, ich bringe gute Nachrichten, lässt er die Hirten wissen. Er berichtet vom Sohn Gottes, der geboren wurde. Ein Retter, ein Heiland. Allerdings noch als Kind in Windeln. Wie alle Kinder. In einem einfachen Stall zur Welt gekommen und in einer Krippe liegend.

Der Engel hat eine Botschaft, die mir auf den ersten Blick fantastisch, eher unrealistisch, zumindest etwas ungewöhnlich vorkommt. Aber auf den 2. Blick merke ich: vielleicht sagt mir der Engel ja etwas, was ich gerade gut gebrauchen kann. Zuversicht, Hoffnung, Motivation, oder einfach, ein gutes Wort.

Die Szenerie im Stall bleibt noch verschwommen. Dass da Gott Mensch wird und was das heißt, das muss sich entwickeln. Klare Konturen bekommen. Was da passiert ist, nennen die Theologen Inkarnation, Fleischwerdung. Gott kommt als Mensch zur Welt, als Mensch aus Fleisch und Blut. Inkarnation ist wo etwas wie die größtmögliche Form an Mitgliederorientierung. Er ist einer von uns.

In der Weihnachtsgeschichte von Lukas tritt nach den Worten des Engels wie zur Bestätigung tritt ein imaginärer Chor auf. Mit einer großen Hymne. Große Emotionen. Großes Kino. Mit einem Mal verändert sich die Szenerie. Was Musik bewirken kann. Die Hirten beruhigen sich und wollen sehen, was da passiert ist. Auf nach Bethlehem ist die Devise. Aufbruch, Hoffnung, Motivation. Durch ein gutes Wort. Ich wünsche uns, dass uns in den kommenden Tagen jemand begegnet, der so etwas wie „fürchte dich nicht“ sagt. Und dann begegnet uns vielleicht auch ein Engel in Gestalt derjenigen, die ein guten Wort für einen haben.

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